Der Aufruf

„Zivilcourage ermöglichen und schützen!“

Wo die Zivilcourage keine Heimat hat,
reicht die Freiheit nicht weit (Willy Brandt)

 

In Bielefeld gibt es seit Mitte der achtziger Jahre immer wieder breite zivilgesellschaftliche Bündnisse gegen rechtsextremistische und rassistische Aktivitäten. Sie haben bisher entscheidend dazu beigetragen, dass diese Ideologien und ihre Vertreter sich in unserer Stadt nicht festsetzen konnten. Das muss auch so bleiben.

Anstatt zivilgesellschaftliche Aktivitäten zu diskreditieren, wollen wir sie aktiv fördern und ermöglichen. Die staatlichen Behörden haben lange genug weg geschaut, als der Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft zu rassistischem Terror wurde, der Menschenleben gekostet hat.

Die jüngsten Ereignisse um den Aufmarsch der Neonazis an Heiligabend 2011, den NPD-Infostand am 3. Mai 2012 sowie die Kundgebung gegen die rechtspopulistische pro NRW am 7. Mai 2012 erfüllen uns in Bielefeld mit großer Sorge.

Zunehmend erhalten die Neonazis und ihre Helfershelfer mehr Raum in unserer Stadt, ihre Veranstaltungen werden von der Polizei in unverhältnismäßiger Weise ermöglicht. Für uns war schwer zu akzeptieren, dass an Heiligabend weniger als 70 angereiste Neonazis einen von der Polizei mit Hilfe von Gittern und um jeden Preis gesicherten Marschweg unbeeinträchtigt von den mehr als 6.500 Bielefelder Gegendemonstrantinnen und -demonstranten in provokativer Art und Weise nutzen konnten.

Die Ereignisse um den NPD-Infostand im Mai 2012 empören uns. Offenbar genehmigt die Polizei unter dem Verweis auf das Versammlungsrecht der NPD Wahlkampfstände, wo andere, in Bielefeld etablierte Parteien mit dem Verweis auf das Marktgeschehen beim Amt für Verkehr keine Genehmigung erhalten. Als es dann am NPD-Infotisch zu rassistischen Äußerungen des NPD-Bundesvorsitzenden Apfel kam, setzte die Polizei offensichtlich alles daran, die Veranstaltung vor unliebsamen „Störern“ zu schützen, die auf friedliche Weise ihre berechtigten und grundgesetzlich geschützten Rechte wahrnehmen wollten. Wir wehren uns dagegen, dass eine offene Skandalisierung und Empörung über neonazistische und faschistische Auftritte sowie die in solchen Situationen geforderte Zivilcourage einseitig als ‚Unruhe stiften‘ aufgefasst und unverhältnismäßig von der Polizei dagegen vorgegangen wird. Während also regelmäßig aufgefordert wird, nicht wegzusehen und gegen Gewalt einzuschreiten, scheint in Bielefeld Zivilcourage, zumindest von der Polizei, nicht erwünscht zu sein.

Bereits im Vorfeld der pro NRW-Kundgebung wirkte, nach unserem Eindruck, die Polizei überzogen darauf hin, die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Solidaritätskundgebung vor der Vatan-Moschee möglichst gering zu halten. Anstatt aufzuklären und zu differenzieren, dass der Besuch eben nicht mit den Veranstaltungen in Solingen oder Bonn vergleichbar war (vgl. Landesintegrationsrat), wirkte die Polizei mit dem Hinweis auf das Neutralitätsgebot von Schulen gemeinsam mit der Bezirksregierung darauf hin, Schulen rechtliche Hürden zum Besuch der Veranstaltung in den Weg zu stellen. Wie aber soll die in aller Munde befindliche Zivilcourage gelernt werden, wenn im konkreten Fall nur formaljuristisch argumentiert wird? Und wie sollen Schülerinnen und Schüler befähigt werden, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen und politischen Leben teilzunehmen (§2 Abs. 4 Satz 3 Schulgesetz), wenn das Neutralitätsgebot eine Teilnahme an Kundgebungen gegen Rechts verhindert?

Auch das grundlose, mit den Veranstaltern nicht abgesprochene dauerhafte Filmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kundgebung gegen pro NRW zeigt eine in unseren Augen nicht gerechtfertigte pauschale Denunzierung friedlicher, aber couragierter Bürgerinnen und Bürger.

Diese Ereignisse machen uns betroffen und wütend zugleich. Es kann und darf nicht sein, dass demokratische Demonstrations- und Widerstandsrechte zugunsten der Durchsetzung des Versammlungsrechts von NPD, Neonazis oder deren Helfershelfern eingeschränkt werden.

Wer, wie wir, mehr Zivilcourage im Alltag und friedlichen Protest gegen die Feinde unserer Demokratie für notwendig und erstrebenswert hält, muss diesen Tendenzen in unserer Stadt entgegentreten!

Wir treten deshalb mit Entschiedenheit dafür ein, dass Zivilcourage auch künftig ermöglicht und nicht kriminalisiert wird!

 

Den Aufruf als pdf-Datei zum Downloaden und Weiterverbreiten findet ihr hier.

  1. Gisela von Alten

    Mit der Bitte, mich in eure Liste aufzunehmen, damit ich Infos und Aktionen nicht verpasse (wie das „Kaffeetrinken“ in Jöllenbeck).
    Liebe Grüße von Gisela von Alten

    • petra BRUNSWIG

      Guten Tag, sind Sie Gisela von Alten, die 1969 in Berlin (Luisenstiftung) Abitur gemacht hat ???? Am Samstag treffen wir uns in der Stiftung (16.3. 19 um 16 Uhr!
      Viele Grüße
      Petra Brunswig (Kehl) brunswig@ki.tng.de

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